#031 Preissteigerung auf dem Bau


Preissteigerungen

Materialpreissteigerung, Lieferengpässe und Hygienemehrkosten

Preiserhöhung: Lieferengpässe und steigende Materialpreise erschweren Handwerkern vertraglich vereinbarte Termine und Preise

von Frank Zillmer   -   27.04.2022 - #031 
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Bekommt der Auftragnehmer Mehrkosten vom Auftraggeber erstattet?

Die „Corona“ - Pandemie führte zu verschiedenen Arten von Mehrkosten auf dem Bau. Aufgrund des Krieges in der Ukraine und der gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen wird diese Situation weiter verschärft.


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Bekomme ich meine Mehrkosten erstattet?

Materialpreissteigerung VOB

Materialpreise in der Baubranche


Die wenigsten Verträge enthalten Lohn- oder Materialpreisgleitklauseln und enthalten daher keine Anpassungsmechanismen für solche unvorhergesehenen Materialpreisänderungen, die aktuell als Folge der Corona-Pandemie entstehen.


Befristete Angebote oder Preiszusicherung vom Händler

Was gilt, wenn Preissteigerungen laufende Verträge betreffen?


Tipp: Erstellen Sie Angebote mit kurzen Bindungsfristen


Haben Sie keine befristeten Angebote, oder sich die Preise von Ihren Händlern zusichern lassen, dann greift im Regelfall nur noch die Regelung zum "Wegfall der Geschäftsgrundlage" des § 313 BGB.


Die Früchte hängen dort für denjenigen, der sich darauf berufen möchte, aber sehr hoch. Man wird sich in jedem Einzelfall ansehen müssen, wie sich die Preisentwicklung auf den gesamten Vertrag (nicht: Auf eine Position oder einen Titel) auswirkt. Wenn eine "faire" Preisgestaltung dann eine Anpassung um 20 % zur Folge hätte oder der gesamte Gewinn des Vertragspartners aufgezehrt werden würde, wäre der Weg aus meiner Sicht nach der bisherigen Rechtsprechung frei für Verhandlungen.


Für die Anwendung dieser Regelungen gilt, dass die Entwicklung der Materialpreissteigerung unvorhersehbar sein musste. Außerdem gilt, dass man sie auch mit wirtschaftlichen Mitteln nicht hätte verhindern können.


Sich anbahnende Preisentwicklungen können z.B. ein Grund sein, sich beizeiten mit noch preisgünstigem oder mit noch verfügbarem Material einzudecken, um seinen Vertrag erfüllen zu können. Wer hingegen nur ein Angebot abgegeben hat, dem wird nicht zuzumuten sein, sich mit Material einzudecken, obwohl er noch nicht weiß, ob er den Zuschlag bekommt.


Auch hier wird eine Einzelfallbetrachtung ebenso unerlässlich sein wie eine sachgerechte Vertragsgestaltung für die Zukunft.


Nehmen Sie Zusatzvereinbarung zur Preisanpassung im Vertrag auf.


Die klassische Anspruchsgrundlage ist ansonsten § 2 Abs. 5 VOB/B bzw. § 650 b, § 650 c BGB. Diese Regelungen greifen aber nur, wenn der Auftraggeber eine Bauzeitverschiebung oder Leistungsänderung angeordnet hat und die bauausführenden Unternehmer kommen dadurch in eine spätere Bauzeit („mit Corona“) und haben dadurch später höhere Kosten für Baumaterial haben. Diese „mittelbaren“ Mehrkosten bekommen die Auftragnehmer dann über § 2 Abs. 5 VOB/B -bzw. § 650 b / § 650 c BGB im BGB-Vertrag- erstattet.



Hygienemehrkosten


Vor „Corona“ war meist eine zweimalige Reinigung der Sanitäranlagen pro Woche vorgesehen. Nun verlangt die Landesverordnung eine tägliche Reinigung.


Bekommt der Auftragnehmer die Kosten erstattet, wenn im Vertrag dazu nichts geregelt ist?



Der Teufel steckt wie so oft im Detail:


Ist eine Nachtragssituationen darstellbar?


Für einen Nachtrag benötigen Sie zum einen eine Abweichung des aktuellen Bau-Ist vom ursprünglich vereinbarten Bau-Soll.


Bei Pauschalverträgen lässt sich das meist sehr schwierig darstellen. Der Maßstab ist nicht Ihre Kalkulation, sondern die gemeinsame Vorstellung von AG und AN vom Leistungsumfang.


Das gelingt noch am besten bei einem Detail-Pauschalvertrag, der z.B. aus einem Einheitspreisangebot heraus entwickelt worden ist.


Selbst dort oder in Einheitspreisverträge ist aber die Baustelleneinrichtung meist recht stiefmütterlich abgehandelt:


Haben Sie die Baustelleneinrichtung genau definiert?


Nur dann, wenn die Anzahl der Sanitärcontainer und die Reinigungsintervalle vorgegeben sind, lässt sich das Thema einigermaßen fassen. Bei "einem Stück Baustelleneinrichtung" wird das nicht gelingen. Nur wenn es im Vertrag eine brauchbare Grundlage gibt, ließe sich ein „Mehr“ und damit eine Nachtragsituation überhaupt darstellen.


Beispiel:

Genaue Darstellung der Container und ihrer Ausstattung, Reinigungsintervalle, Kosten für Auf- und Abbau, Vorhaltekosten pro Woche usw.


Anspruchsgrundlage


Das nächste Problem liegt in der regelmäßig fehlenden Anordnung des Auftraggebers:


Die Mehrkosten der Auftragnehmer werden ausgelöst, weil die gesetzlichen Vorschriften sich geändert haben und nicht, weil der Auftraggeber das gerne so möchte.


Die klassische Anspruchsgrundlage § 2 Abs. 5 VOB/B entfällt daher.


Ausnahme: Der Auftraggeber hat eine Bauzeitverschiebung angeordnet und Sie kommen dadurch in eine spätere Bauzeit („mit Corona“) und haben dadurch später höhere Kosten für Baustellenhygiene. Diese „mittelbaren“ Mehrkosten bekommen Sie über § 2 Abs. 5 VOB/B erstattet.


Auch § 4 Abs. 1 Nr. 4 VOB/B greift nicht, weil der AN kaum Bedenken gegen die Ausführungsanordnung des AG geltend gemacht hat und die Anordnung des AG zu erstattungsfähigen Mehrkosten geführt hat. Der AG hat meist gar nichts dazu gesagt. Der AG wird vielmehr auf § 4 Abs. 2 VOB/B verweisen und darauf hinweisen, dass der AN dafür zu sorgen hat, die gesetzlichen, behördlichen und berufsgenossenschaftlichen Regelungen gegenüber seinen Mitarbeitern umzusetzen.


Das Argument der „höheren Gewalt“ greift bei Altverträgen im Rahmen des § 6 VOB/B für die Verlängerung von Ausführungsfristen. Eine Vergütungsanpassung ist aber letztlich meist nur über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu erreichen:


Voraussetzung ist danach aber, dass die Auswirkung auf das Gesamtergebnis des Bauvertrages durch die unerwartete Änderung so gravierend ist, dass der Gewinn aufgezehrt wird. Solche Dimensionen werden durch die Kosten zusätzlicher Hygienemaßnahmen meist nicht erreicht.


Preiserhöhung kommunizieren: Wie gehen Sie am besten vor?

Welche Argumente kann ich aufführen, um die Mehrkosten erstattet zu bekommen?


Einen Ausweg für Verhandlungen mit dem AG bieten die Regelungen zu Bundes-Baustellen:


Für diese hat der Bund mit drei Erlassen (Straßen, Hochbau, Wasserstraßen) eine Regelung zur Auslegung des § 4 Abs. 1 VOB/B herausgegeben, um den im Baurecht und in der VOB/B verankerten Kooperationsgedanken sachgerecht umzusetzen.


Nach dieser Regelung hat der Auftraggeber für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung auf der Baustelle zu sorgen. Nach dem Bundeserlass gilt für Baustellen des Bundes, dass die Regelung zur Wahrung eines angemessenen Interessenausgleichs der Vertragsparteien für die Ausnahmesituation der COVID-19-Pandemie so ausgelegt wird, dass der Bund als Auftraggeber die nachgewiesenen Corona-bedingten Mehrkosten übernimmt. Wie es sich für Behörden gehört, gibt es dafür auch ein Antragsformular.


Bauunternehmen können gegen Nachweis ihre Mehrkosten für zusätzliche Wasch-, Dusch- und Wohncontainer, Hygienemittel, Schutzanzüge und zusätzliche Fahrzeuge für den Personentransport geltend machen.



Mit dieser Argumentation ließe sich auch gegenüber anderen öffentlichen oder privaten Auftraggebern auftreten.


Miet- und Pachtverträge


Können gemietete Geschäftsräume aufgrund von behördlichen Schließungsanordnungen vom Mieter nicht genutzt werden, laufen die Mietkosten weiter. Der geschlossene Betrieb erwirtschaftet aber die dafür erforderlichen Kostendeckungsbeiträge nicht mehr. Das bringt viele Gewerbetreibende in wirtschaftliche Schwierigkeiten.


Den Betroffenen hilft die Regelung des Gesetzgebers, der für Gewerbemietverträge in Art. 240 EGBGB § 7 folgendes bestimmt hat:


§ 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.


Der Gesetzgeber hat damit pandemiebedingte Schließungsfolgen, die aufgrund behördlicher Anordnung eintreten, als Grund für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage angesehen. Diese gesetzliche Vermutung kann durch Tatsachen widerlegt werden.



Für Miet- und Pachtverträge hat der Gesetzgeber also eine Regelung getroffen.

Für pandemiebedingte Kostensteigerungen in Bauverträgen jedoch gibt es keine entsprechenden Regelungen. Hier gelten nur die oben genannten allgemeinen Regelungen.


Musterformulierung und Formulierungshilfen für die Preisanpassung im Vertragstext

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Welche Rechte und Pflichten haben Auftragnehmer und Auftraggeber?

Bauablaufstörungen durch die aktuelle Lage


➡️ Wie kann ich den Schaden für den eigenen Betrieb abwenden?
➡️ Wie kann ich mich als Kunde schützen?
➡️ Welche Rechte und Pflichten haben Auftragnehmer und Auftraggeber?


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 Autor

Frank Zillmer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, seit 1996 mit eigener Kanzlei in Kiel. 

"Alle am Bau Beteiligten sollen den rechtlichen Hintergrund verstehen."

"Viele Fehler oder Probleme, die auf den Baustellen oder schon während der Projektplanung entstehen, beruhen auf mangelnden rechtlichen Kenntnissen. Um das zu ändern, gebe ich seit über 15 Jahren baurechtliche Seminare und halte Vorträge. Durch unsere Online-Angebote können Sie unsere Kurse und Materialien sofort zeit- und ortsunabhängig nutzen. Genau zu dem Zeitpunkt, an dem Sie die Hilfe benötigen."

Rechtsanwalt
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Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht ist Frank Zillmer nicht nur als baujuristischer Unternehmensberater in Norddeutschland ein absoluter Experte. Er vermittelt sein Fachwissen auch gerne strukturiert und gut verständlich als Referent unter anderem für

  • die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein,
  • die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein,
  • den Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen

online oder in Inhouse-Seminaren weiter. Er berät und vertritt alle anderen am Bau Beteiligten, wenn er nicht gerade an seinen klassischen Motorrädern schraubt, oder mit diesen unterwegs ist.


Preissteigerungen - Lieferengpässe - Materialknappheit

Rechtsanwalt Frank Zillmer ist zu Gast bei

Thorsten Moortz im Podcast handwerk.live


Als Handwerker müssen Sie die aktuellen Herausforderungen durch Lieferengpässe und Preissteigerungen bewältigen. Thorsten Moortz, Achim Maisenbacher und Frank Zillmer haben ein paar Ideen für Sie, wie das gelingen kann.

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