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#034 Mindestsatz der HOAI 2013 gilt möglicherweise weiter


Mindestsatz der HOAI 2013 gilt möglicherweise weiter

„Aufstockungsklagen“ und Aufrechnungen in Schadenersatzstreitigkeiten

von Frank Zillmer   -   31.03.2022 - #034
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Mindestsatz der HOAI 2013 gilt möglicherweise weiter


Der EuGH hat am 18.1.2022 überraschend entschieden, dass der Mindestsatz nach der HOAI 2013 für Verträge, die vor dem 1.1.2021 geschlossen worden sind, weiterhin anwendbar ist. Die abschließende Entscheidung überlässt der EuGH aber den nationalen Gerichten. (Rechtssache C‑261/20)



Die Entscheidung des EuGH vom 4.7.2019 stehe dem zumindest nicht entgegen.

„Aufstockungsklagen“ und Aufrechnungen in Schadenersatzstreitigkeiten

„Aufstockungsklagen“ und Aufrechnungen sind in Schadenersatzstreitigkeiten in diesen Fällen voraussichtlich weiterhin möglich. Damit geht eine zweijährige Phase der Rechtsunsicherheit in die nächste Runde.


Als 2021 die HOAI neu gefasst wurde, ist die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze für Verträge, die nach dem 1.1.2021 geschlossen worden sind, entfallen. 2019 hatte der EuGH entschieden, dass die Mindest- und Höchstsätze dem Unionsrecht widersprächen.

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„Altfälle“ waren bisher umstritten


Bisher war aber hoch umstritten, was für „Altfälle“ gilt, die noch nach der HOAI 2013 (oder älter) geschlossen worden waren:


Kann dort noch im Rahmen einer „Aufstockungsklage“ der Mindestsatz eingeklagt werden, obwohl ein darunter liegendes Honorar vereinbart worden war?


Hierzu gab es widersprüchliche Entscheidungen verschiedener Oberlandesgerichte, was eine Entscheidung des BGH erforderlich machte. Der BGH hat diese Frage aber bisher nicht entschieden, sondern die Frage dem EuGH vorgelegt.


Der Generalanwalt hatte dem EuGH noch im Juli 2021 vorgeschlagen, das Verbot der Mindestsatzunterschreitung -zumindest mit Ablauf der Umsetzungsfrist für die Dienstleistungsrichtlinie- nicht mehr anzuwenden.



Das hat der EuGH jetzt jedoch überraschend anders gesehen und seine Auffassung damit begründet, dass die verletzte Dienstleistungsrichtlinie sich an die Staaten richtet und nicht an den Einzelnen: Bürger können dadurch nicht verpflichtet werden. Auch das Vertragsverletzungsverfahren, an dessen Ende das Urteil aus dem Jahre 2019 stand, habe sich gegen den Staat gerichtet und diesen zum Handeln verpflichtet. Einzelne Bürger könnten hieraus keine Rechte und Pflichten herleiten.


Wie wirkt sich die Entscheidung des EuGH auf das Verfahren

vor dem BGH aus?


Die Auswirkungen der Entscheidung des EuGH auf das Verfahren vor dem BGH sind nun wohl absehbar:


Ein klagender Ingenieur kann voraussichtlich abweichend vom geschlossenen Vertrag den Mindestsatz verlangen. Eine große Zahl ruhender - oder mit Blick auf die unsichere Rechtslage noch nicht erhobene - Aufstockungsklagen müssen nun von den deutschen Gerichten entschieden werden.


Hiervon betroffen sind (nur) alle bis zum Inkrafttreten der HOAI 2021 am 1. Januar 2021 geschlossenen Architekten- und Ingenieurverträge nach allen bis dahin geltenden Fassungen der HOAI.



Auch wenn das formal nur das Verhältnis „zwischen Privaten“ betrifft, werden auch öffentliche Auftraggeber in gleichem Maße betroffen sein, weil sie im Vertragsrecht nicht hoheitlich tätig sind. Nur im öffentlichen Vergabeverfahren gilt abweichend davon, dass ein den Mindestsatz unterschreitendes Angebot nicht mehr ausgeschlossen werden darf.



Aber Achtung


Es ist aber nicht zwingend, dass der BGH dem folgen wird, denn der EuGH hat den nationalen Gerichten eine Hintertür offen gelassen: Jede zuständige Behörde und jedes Gericht kann die Anwendung nationalen Rechts, das gegen Unionsrecht verstößt, aufgrund innerstaatlichen Rechts ausschließen.


Ob der BGH z.B. die Verletzung von Grundrechten (Gleichheitsgrundsatz, Art. 3 GG; Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 GG) annimmt und daher die Anwendung des Mindestsatzes ausschließt, bleibt abzuwarten.


Die Rechtsunsicherheit ist damit noch immer nicht beendet.


Es ist daher immer noch nicht abschließend geklärt, ob in „Altfällen“ (aus vor dem 1.1.2021 geschlossenen Verträgen) der Mindestsatz noch nachträglich verlangt werden kann, obgleich im Vertrag ein niedrigeres Honorar vereinbart worden ist.



„Aufstockungsklagen“

bleiben bis zu einer BGH-Entscheidung hierzu noch riskant.

 Autor

Frank Zillmer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, seit 1996 mit eigener Kanzlei in Kiel. 

"Alle am Bau Beteiligten sollen den rechtlichen Hintergrund verstehen."

"Viele Fehler oder Probleme, die auf den Baustellen oder schon während der Projektplanung entstehen, beruhen auf mangelnden rechtlichen Kenntnissen. Um das zu ändern, gebe ich seit über 15 Jahren baurechtliche Seminare und halte Vorträge. Durch unsere Online-Angebote können Sie unsere Kurse und Materialien sofort zeit- und ortsunabhängig nutzen. Genau zu dem Zeitpunkt, an dem Sie die Hilfe benötigen."

Rechtsanwalt
Frank Zillmer

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Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Als Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht ist Frank Zillmer nicht nur als baujuristischer Unternehmensberater in Norddeutschland ein absoluter Experte. Er vermittelt sein Fachwissen auch gerne strukturiert und gut verständlich als Referent unter anderem für

  • die Architekten- und Ingenieurkammer Schleswig-Holstein,
  • die Auftragsberatungsstelle Schleswig-Holstein,
  • den Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen

online oder in Inhouse-Seminaren weiter. Er berät und vertritt alle anderen am Bau Beteiligten, wenn er nicht gerade an seinen klassischen Motorrädern schraubt, oder mit diesen unterwegs ist.


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