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#032-Heizkoerper-vor-Fenster


Gelten Heizkörper vor Fenstern als Kletterhilfe?

Wie hoch darf die Oberkante von Heizkörpern dort sein?

von Frank Zillmer   -   25.08.2021 - #032
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Gelten Heizkörper vor Fenstern als Kletterhilfe?

Wie hoch darf die Oberkante von Heizkörpern dort sein?


Heizkörper werden unter Fenstern montiert, weil sie dort ihre größte Wirkung entfalten.


Allerdings werden in den Landesbauordnungen Mindesthöhen von Brüstungen verlangt, damit ein Herausfallen erschwert wird.


Abhängig von der Absturzhöhe liegen die geforderten Brüstungshöhen in den Bundesländern bei 80 cm bis 1,10 m. Das bedeutet:

Eine Fensterbank muss je nach Absturzhöhe mindestens 80 cm bis 1,10 m hoch sein.


Was gilt, wenn ein Heizkörper unter einem Fenster montiert wird?


Die Oberkante eines Heizkörpers ist in der Regel niedriger und liegt eher bei 60 cm bis 70 cm.


  • Wann gilt der Heizkörper als Kletterhilfe für Kleinkinder oder als Steighilfe?


  • Spielt die Höhe der Oberkante des Heizkörpers dabei eine Rolle?


  • Muss der Heizkörper eine bestimme Mindesthöhe aufweisen, um nicht als Kletter- oder Steighilfe eingeordnet zu werden?  


Die Verantwortung tragen der den Bau leitende Architekt und der ausführende Handwerker. 


Sie müssen den unbestimmten Rechtsbegriff eigenverantwortlich auslegen und so planen und bauen, dass keine Steighilfen vorhanden sind, die ein Überklettern ermöglichen.


  • Die Landesbauordnungen der Bundesländer und der Hamburger Bauprüfdienst 3/2013 enthalten ebenso wie DIN-Normen, die sich mit Treppen bzw. der Höhe von Treppengeländern und Brüstungen beschäftigen, insoweit keine klare Aussage:


  • Nach § 36 Abs. 3 HBauO  müssen Brüstungen mit einer Mindesttiefe von 15 cm zur Umgrenzung von Flächen mit einer Absturzhöhe bis zu 12,0 m mindestens 0,8 m, von Flächen mit mehr als 12,0 m Absturzhöhe mindestens 0,9 m hoch sein. Geringere Brüstungshöhen sind zulässig, wenn durch andere Vorrichtungen wie Geländer die nach Absatz 4 vorgeschriebenen Mindesthöhen eingehalten werden.

 

  • Zu den bauaufsichtlich eingeführten technischen Baubestimmungen gehört die DIN 18065 in der Fassung von Juni 2011, welche auch Anforderungen an Treppengeländer und Umwehrungen enthält.


  • Der Hamburger Bauprüfdienst 3/2013 legt fest, dass in Gebäuden, in denen mit unbeaufsichtigten Kleinkindern zu rechnen ist, darauf zu achten ist, dass keine fest eingebauten und keine besteigbaren, insbesondere waagerechte Flächen vor Brüstungen entstehen, die weniger als 70 cm über dem Fußboden liegen wie Fensterbänke oder Pflanzentröge, die von Kindern ohne Hilfsmittel erklettert werden können. Die DIN 18065 ist in sinngemäßer Auslegung zu beachten. Leitereffekte werden ab 70 cm Höhe erschwert.


  • Sonderbauten und Arbeitsschutzregelungen können weitergehende Anforderungen stellen.
     

Gemessen wird von der Oberkante besteigbarer Flächen, z.B. bei waagerechten Rohrverkleidungen in Badezimmern also ab deren Oberkante. Keine ausdrücklichen Regelungen finden sich zu Heizkörpern.


Zu einem Umbau zwingende Urteile habe ich nur insoweit gefunden, als dass dort Podeste (wie auch z.B. im Badezimmer in Form von waagrechten Rohrverkleidungen) vorhanden waren, die zum Besteigen und Betreten bestimmt oder geeignet sind.


Ein typischer Platten-Heizkörper ist aber ersichtlich nicht zum Betreten bestimmt.


Eine typische Platten-Heizung ist auch in keinem mir bekannten Urteil als Kletterhilfe oder als zum Begehen geeignet angesehen worden. Das wird anders zu beurteilen sein bei Handtuchtrockner-Heizkörpern, die von Kleinkindern als Leiter genutzt werden können.


Einen typischen Heizkörper würde ich daher nicht als besteigbare waagerechte Fläche ansehen wie z.B. eine Fensterbank: Die Fläche (Tiefe) und die Festigkeit laden niemanden zum Besteigen ein und Kleinkinder können auch mit Hilfe von Stühlen usw. die Höhe von 70 cm überwinden. Daher gelten besondere Aufsichtspflichten wie das nicht vollständige Öffnen oder Abschließen von Fenstern zur elterlichen Sorgfaltspflicht ebenso wie das Beaufsichtigen.


In einer Veröffentlichung des BVS (Bundesverband der Sachverständigen, Fachbereich Bau, BVS Standpunkt Brüstungs- und Geländerhöhen 8-2015) heißt es unter Ziffer 9.8, dass dann, "wenn bei Brüstungen oberhalb von 60 cm bis zur erforderlichen Umwehrungshöhe kein Stab oder ähnliches Hilfsmittel zum Hochziehen der Kleinkinder vorhanden ist, das Maß von 70 cm auf 60 cm reduziert werden kann. Besondere Einzelregelungen von Landesbauordnungen bleiben hiervon unberührt".


Damit ließe sich auch ein 60 cm bis 65 cm hoher Heizkörper vor einer Brüstung rechtfertigen, der die 70 cm unterschreitet.


Der sicherste Weg ist naturgemäß immer die Einhaltung der Mindestmaße - hier jedenfalls der 70 cm.


WICHTIG beim Einbau von Heizkörpern vor Fensteröffnungen:


  • Montieren Sie Heizkörper so, dass die Oberkante / -Fläche mindestens 70 cm hoch ist.  


  • Um die Konvektion sicherzustellen, ist ein ausreichender Abstand vom Boden bis zur Unterkante des Heizkörpers einzuhalten. Häufig unterbleibt dies aus optischen Gründen, so dass Heizkörper oft zu niedrig montiert werden.


  • Eine Anhebung der Oberfläche auf mindestens 70 cm erscheint mir sicherer als eine Reduzierung auf 60 cm (soweit keine Hilfsmittel zum Hochziehen vorhanden sind). Eine Reduzierung auf 60 cm ist aber zumindest mit einem Verweis auf den BVS vertretbar.



 Autor

Frank Zillmer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, seit 1996 mit eigener Kanzlei in Kiel. 

"Alle am Bau Beteiligten sollen den rechtlichen Hintergrund verstehen."


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